Krisenmanagement – die Nerven liegen blank

Pressemitteilung Nr. 8 vom 05.05.2020



Spätestens mit dem Zugangsverbot zu den Ostfriesischen Inseln am 15. März befindet sich Norderney inmitten der Corona-Krise, mit all ihren Facetten und bis heute fatalen Auswirkungen. Kein Lehrbuch und kein Handlungsleitfaden weisen uns in diesen Tagen den richtigen Weg. Alle Entscheidungsträger fahren im dichten Nebel der unklaren Entwicklungen und täglich neuen Meldungen auf Sicht. Eigene Handlungsspielräume sind auf unserer Insel nahezu gar nicht mehr vorhanden. 

 

Der finanzielle aber auch der psychische Druck werden von Tag zu Tag größer. Wie lange ist eine solche Lage auszuhalten? 

 

Gewohnte Standardverhaltensmuster und Strategien reichen nicht aus, um der Situation Herr zu werden. In solchen Krisenzeiten mit sich täglich und mitunter stündlich verändernden Szenarien kann man nicht endlos diskutieren – zumal die Halbwertszeit von Ergebnissen der internen Meinungsfindung sehr gering ist und von der Lebenswirklichkeit sowie deren laufenden Veränderungen permanent überholt wird. Im Rathaus sind wir oftmals mit komplexen und sich zuspitzenden Entscheidungsprozessen konfrontiert, die zudem häufig mit einer Zwickmühlensituation verbunden sind. Es unter solchen Gegebenheiten allen Recht zu machen, ist quasi ausgeschlossen. 

 

Trotzdem darf ich heute resümieren, dass sich Stadt und Staatsbad aus dem Rathaus heraus in den letzten sieben Wochen im wahrsten Sinne vom Tag bis in die Nacht ununterbrochen mit ihrer ganzen Kraft eingebracht, viele Entscheidungen zu Gunsten Norderneys beeinflusst und unsere Inselinteressen bei den Behörden und Entscheidern in Aurich und Hannover in eine gute Position gebracht haben, wobei dem Land und dem Landkreis unser Dank für das stets offene Ohr gebührt. 

 

Gleichwohl liegen hier und dort die Nerven blank. Während die großen Volksparteien auf der Insel noch die Contenance wahren und sich durchaus berechtigt aber moderat zu Wort melden, fällt anderen Beteiligten das offenbar schwerer. 

 

 

Mit dem veröffentlichten Statement der Inselgrünen zum „Positionspapier zur touristischen Öffnung der Insel“ schießen diese in jeder Hinsicht vor dem Hintergrund der derzeitigen für uns alle schwierigen Lage über das Ziel hinaus. Leider hat man es trotz deutlichem Angebot aus dem Rathaus als nicht notwendig erachtet, den Versuch zu wagen, Hintergründe aufzuklären und Entscheidungsprozesse abzufragen. Aufklärung ist offensichtlich nicht gewollt. 

 

Zum Positionspapier selbst:

Nachdem sich in den letzten Wochen mehr und mehr abzeichnete, dass nunmehr mit ersten Lockerungen des Shutdown zu rechnen sein wird und sich die Frage nach der Öffnung des Tourismus auf den Inseln und an der Küste als eine der kompliziertesten und komplexesten in der ganzen Corona-Krise darstellte, ging es um Lösungen und Strategien. Auf dem Festland wurden bereits von Dachorganisationen und Spitzenverbänden pauschale Papiere entwickelt, die unsere Inselinteressen nur bedingt berücksichtigen konnten. Im Kern stand daher die Frage im Raum, wie der Tourismus behutsam und langsam wieder zurückkehren kann, ohne den Infektionsschutz zu vernachlässigen und damit einen zweiten Shutdown zu riskieren. Bevor man diesbezügliche Entscheidungen über unsere Köpfe hinweg trifft, galt es, sehr kurzfristig vorläufige eigene Positionen der Insel zu definieren. 

 

Mit dem Landkreis haben wir uns darauf verständigt, parallel zu den bereits vorhandenen Vorschlägen, die landkreisübergreifend von den Landräten und Oberbürgermeistern erarbeitet wurden, aus den Reihen der touristischen Träger der Insel eigene Vorschläge zu entwickeln. Es ging, wohlgemerkt, ausschließlich um das Thema Tourismus, nicht um Themen wie Schulen, Kindergärten etc., die ohne unsere Einflussnahme auf Bund-/Länderebene entschieden werden. 

 

Das dabei entwickelte Positionspapier stellt dabei nur einen Vorschlag einer Auswahl von touristischen Akteuren, dem Einzelhandelsverband, DeHoGa, Hoteliers, Reederei und einem Vertreter der Ärzteschaft dar, wie eine kontrollierte Lockerung aussehen könnte. Dieses Papier bringt keinesfalls den Anspruch mit sich, eins zu eins umgesetzt zu werden oder als einziges probates Mittel zur möglichen Lockerung tauglich zu sein, zumal es einheitliche Regelungen für alle Inseln und Küstengemeinden geben muss. Es beschreibt einen Ansatz von Möglichkeiten, bei dem die Frage im Raume stand, wie ein behutsamer, kontrollierter und vor allem zahlenmäßig stark begrenzter Zugang umsetzbar wäre.

 

Es bestand zu keiner Zeit die Absicht, bestimmte Anbietergruppen von vornherein auszuschließen oder die Kleinvermieter gar nicht berücksichtigen zu wollen. Vielmehr wurden die Ferienwohnungen im Rahmen der Eröffnung von örtlichen Beherbergungsbetrieben direkt an den Beginn einer möglichen Öffnung gestellt. Es wurde lediglich hilfsweise und nur rein vorsorglich die vage Alternative erörtert, ggf. die meldepflichtigen Ferienwohnungen zuerst zuzulassen, um der geforderten Beschränkung nachzukommen. Keinesfalls war das eine strikte Vorgabe oder Empfehlung.

 

Den Beteiligten ging es aber auch darum, mögliche viele Interessen der Inselgemeinschaft zu berücksichtigen und eben keine Klientelpolitik zu betreiben. Dazu gehört beispielsweise auch die alleinerziehende Mutter, die mit 67 % ihres Gehaltes zu Hause sitzt und ihre Kinder beschulen muss. 

 

Unter einem gehörigen Zeitdruck mussten kurzfristig Lösungen her, um überhaupt aufzuzeigen, dass der Wille zu einer Selbstverpflichtung besteht und wir in der Lage wären, sektoralen überschaubaren Öffnungen im Tourismus nachzukommen. Aus diesem Grund ist das Papier auch weder politisch gemeint noch öffentlich kommuniziert worden, weil es in dieser Form kein öffentliches Dokument sein kann, sondern nur die beispielhafte Meinungsfindung touristischer Akteure darstellt. 

Im Zuge möglicher Kontrollmechanismen und Erfassungen sowie einer anfänglichen starken Reduzierung der Gästeanreisen, aber auch zur Sicherung und Wiederherstellung von Arbeitsplätzen, hat man sich daher in der Formulierung für diesen Weg entschieden. Letztlich gilt es aber, mit allen Inseln gemeinsam schnellstmöglich den richtigen Weg zu finden. 

 

Und natürlich hat niemand aus touristischen oder gesellschaftlichen Gründen die Nebenwohnungsbesitzer im Rahmen der Zugangslockerungen privilegieren wollen. Diese Entscheidungen beruhen auf rein rechtlichen Erwägungen von Land und Landkreis. Das hatte ich nicht zuletzt in einer Verwaltungsausschusssitzung deutlich kommuniziert. 

 

Parallel dazu habe ich mich persönlich bis zum heutigen Tage intensiv und auf allen nur möglichen Ebenen für die Lockerung der Zugangsbeschränkungen für die Verwandten unserer einheimischen Bevölkerung eingesetzt, so dass ich mit der nächsten Verordnung auf eine weitere Entspannung hoffe. 

 

Es ist nichts verloren oder verpasst worden. Im Gegenteil! Die Vielzahl an Vorschlägen aus den Regionen und Gemeinden, und auch der Inseln, waren offensichtlich eine gute Basis für das Land, das nunmehr einen eigenen Stufenplan nach Lebensbereichen differenziert zur Diskussion stellt. 

 

Abschließend bleibt festzustellen, dass diese Zeiten jedem Einzelnen von uns sowohl eine hohe Flexibilität und Toleranz als auch Verständnis und Vertrauen abverlangen. Selbst aus den Ministerien ist zu hören, dass man dieser Tage nicht alles richtig machen kann. Umso wichtiger ist es aber, im Falle von Meinungsverschiedenheiten oder unter einem großen Druck wohlwollend gemeinter Willensbildungen für unsere Insel nicht distanzlos draufzuhauen, sondern um Lösungen bemüht zu sein. Auch das zeichnet eine funktionierende Demokratie aus! 

 

Lassen Sie uns auch in diesen Zeiten fair und sachlich miteinander umgehen!