Gemäß § 88 Absatz 1 des Niedersächsischen Kommunalverfassungsgesetzes (NKomVG) ist die Hauptverwaltungsbeamtin bzw. der Hauptverwaltungsbeamte verpflichtet, die Kommunalaufsichtsbehörde unverzüglich zu informieren, wenn ein Ratsbeschluss als rechtswidrig eingeschätzt wird. Dieser Verpflichtung ist Bürgermeister Frank Ulrichs im Januar 2025 nachgekommen.
Nach dem Ratsbeschluss vom 03. Dezember 2024 zur Neufassung der Zweckentfremdungssatzung hatte er in enger Abstimmung mit der Bauverwaltung erhebliche rechtliche und inhaltliche Bedenken angemeldet. Insbesondere stieß die in § 1 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 vorgesehene Regelung auf Kritik, wonach ungenehmigten Ferienwohnungen pauschaler Bestandsschutz eingeräumt werden sollte – eine Maßnahme, die gerade jene Objekte von der Satzung ausnimmt, die in besonderem Maße zur Verdrängung von Wohnraum beitragen. In der Folge informierte Ulrichs – wie gesetzlich vorgeschrieben – die Kommunalaufsicht des Landkreises Aurich und legte den Sachverhalt zwecks Klärung der Rechtslage detailliert dar.
Die daraufhin erstellte ausführliche rechtliche Stellungnahme des Landkreises bestätigt diese Einschätzung in vollem Umfang. Darin stellt die Kommunalaufsicht unmissverständlich fest, dass wesentliche Regelungen der vom Rat beschlossenen Satzung den gesetzlichen Rahmen überschreiten, dem gesetzgeberischen Zweck widersprechen und letztlich sogar dem angestrebten Schutz von Wohnraum entgegenwirken. Die Bewertung der Aufsichtsbehörde macht deutlich, dass zentrale Elemente der Satzung nicht mit geltendem Recht vereinbar sind, was die von der Stadtverwaltung frühzeitig geäußerten Bedenken eindeutig stützt.
Rechtsbruch durch Definitionsversuch
Nach Auffassung der Kommunalaufsicht fehlt es der Satzung an einer tragfähigen rechtlichen Grundlage. Die selbst definierte Ausnahmeregelung für bestimmte Ferienwohnungen sei vom Gesetzgeber nicht vorgesehen. Die Stadt habe durch diese eigenmächtige Begriffsbildung ihre gesetzlich eingeräumte Satzungskompetenz überschritten.
Der Landkreis verweist dabei auf einschlägige Urteile, unter anderem des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg und des Verwaltungsgerichts Schleswig, die klar zwischen Dauerwohnen und Feriennutzung unterscheiden. Diese Differenzierung sei rechtlich zwingend – und eine pauschale Gleichstellung beider Nutzungsarten durch eine kommunale Satzung daher nicht zulässig.
Satzung untergräbt den Wohnraumschutz
Besonders gravierend ist aus Sicht der Kommunalaufsicht, dass die Satzung den Begriff des Wohnraums unzulässig einschränkt und dadurch den Anwendungsbereich der Satzung verkleinert, was letztlich zu einer weiteren Verknappung des Wohnraumbestands führt. Damit widerspricht sie dem grundlegenden Ziel einer Zweckentfremdungssatzung, nämlich den Wohnraum zu erhalten, spekulativen Leerstand zu verhindern und einer Umnutzung zu Ferienwohnungen entgegenzuwirken.
Falsche Behauptungen zur Genehmigungspraxis
Zudem weist die Kommunalaufsicht die in der Satzung enthaltene Behauptung zu-rück, es habe in der Vergangenheit eine generelle Gleichsetzung von Dauerwohnen und Ferienwohnen durch den Landkreis stattgefunden. Eine solche Genehmigungspraxis habe es nachweislich nie gegeben. Der Versuch, aus einer angeblich langjährigen Verwaltungspraxis einen Bestandsschutz abzuleiten, sei unbegründet und unzulässig.
Bestandsschutz nur mit Genehmigung – keine pauschalen Regelungen
Ferienwohnungen genießen nur dann Bestandsschutz, wenn sie baurechtlich genehmigt wurden – eine pauschale Regelung, wie sie die Satzung vorsieht, sei nicht zulässig. Die Prüfung obliegt im Einzelfall der zuständigen Bauaufsichtsbehörde, nicht der Stadt. Der in der Satzung erzeugte Eindruck, Ferienwohnungen seien automatisch rechtmäßig, könne einen irreführenden Rechtsschein erzeugen – mit möglicherweise gravierenden Folgen.
Aufhebung des Ratsbeschlusses dringend angeraten
Angesichts der Vielzahl rechtlicher Mängel empfiehlt die Kommunalaufsicht ausdrücklich, den Satzungsbeschluss im Interesse der Rechtssicherheit aufzuheben. Sollte die Stadt dennoch an der beschlossenen Fassung festhalten, sei eine Beanstandung durch die Aufsichtsbehörde unvermeidlich.
Ein fatales Signal
„Wer illegal errichtete oder ungenehmigte Ferienwohnungen im Nachhinein durch eine Satzung schützt, der riskiert, das Vertrauen in die kommunale Rechtsstaatlichkeit zu untergraben“, kommentiert Bürgermeister Frank Ulrichs. „Die Stadtverwaltung hat frühzeitig auf die drohenden Risiken hingewiesen. Es ist nun Aufgabe des Rates, Verantwortung zu übernehmen und die Satzung zu korrigieren, bevor irreparabler Schaden entsteht – nicht zuletzt für alle Bürgerinnen und Bürger, die aktuell und langfristig bezahlbaren Wohnraum suchen. Dabei geht es ausdrücklich nicht darum, Ferienwohnungen pauschal gegen Dauerwohnungen auszuspielen oder berechtigte Einzelfälle und unbillige Härten zu ignorieren. Ein faires und nachvollziehbares Vorgehen mit Augenmaß wurde stets zugesichert – im Kern jedoch muss es darum gehen, genehmigten Dauerwohnraum dauerhaft zu sichern und seiner Zweckentfremdung wirksam entgegenzuwirken.“